Kurzbeschreibungen aller Teilprojekte

Teilprojekt 1
Projektmoderator: Prof. Dr. Stefan Remy
Titel: Die Schaltkreisbasis der Verhalten(fehl)anpassung: Mikro- und Mesokreisplastizität bei früher Adversität und Traumata

Frühkindliche Widrigkeiten und Traumata können im Erwachsenenalter Stressreaktionen und depressive Störungen zur Folge haben. Dies liegt unter anderem an Veränderungen im Gehirn, die dazu führen, dass sich das Hirn schlechter an neue Bedingungen anpassen kann. Wir untersuchen diese Mechanismen. Das machen wir, indem wir am Mausmodell analysieren, wie sich frühkindlichen Belastungen auf Verhalten und auf die Funktionsweise des Hirnes auswirken. Im weiteren Verlauf werden wir depressive Patient:innen und bei Patient:innen mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung erforschen. Dazu untersuchen wir die neuronale Funktionsweise mit hochauflösenden Methoden, wie beispielsweise Ultrahochfeld-Magnetresonanztomographie (7T). Diese Studien helfen uns zu verstehen, wie sich frühkindliche Traumata auf die psychische und physische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auswirken können und welche Schutzmechanismen einen späteren Krankheitsausbruch verhindern und die Widerstandskraft verbessern können. Dies kann zu einer besseren Diagnostik und zu angepasster Therapie beitragen.

Teilprojekt 2
Projektmoderator: Prof. Dr. Dr. Ronny Redlich
Titel: Untersuchung der von der Neurobildgebung abgeleiteten Prädiktoren und Mediatoren von Krankheitsverläufen bei affektiven Störungen

Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen weltweit. Diese Erkrankung, die man zu der Übergruppe der affektiven Störungen zählt, geht mit Veränderungen der Nervenbahnen im Gehirn einher. Die Zusammenhänge zwischen diesen sogenannten neuronalen Veränderungen, der Symptomverbesserung durch die Behandlung und dem langfristigen Erkrankungsverlauf sind jedoch bisher weitestgehend unerforscht. Das vorliegende Projekt verfolgt einen Ansatz auf mehreren Ebenen. Zum einen werden bereits bestehende neurowissenschaftliche Datensätze von Patient:innen mittels neuster Methoden analysiert. Zum anderen werden Patient:innen mit schweren Depressionen langfristig mittels bildgebender Untersuchungen (z.B. MRT) während therapeutischer Behandlungen (z.B. vor und nach der Therapie) untersucht und anschließend über einen längeren Zeitraum beobachtet. Diese Erkenntnisse sollen in die klinische Routine mittels maschineller Lernverfahren übertragen werden können. Insbesondere sollen Strategien zur Vereinheitlichung von Forschungs- und klinischen Datenbanken entwickelt werden um, MRT-Daten in der Routineversorgung sinnvoll anzuwenden. Das Ziel ist hierbei, vorhersagen zu können, ob ein Patient von einer bestimmten Therapie profitiert. Das Projekt wird von Betroffenen und Angehörigen-Vertretern begleitet um zukünftig fördernde Faktoren einer solchen Beteiligung in der präklinischen und Grundlagenforschung zu verbessern.

Teilprojekt 3
Projektmoderatorin: Prof. Dr. Ilona Croy
Titel: Änderung sozialer Interaktions- und Synchronisationsmuster

Psychische Störungen sind bisher vor allem dahingehend untersucht worden, welche Veränderungen bei der erkrankten Person bestehen. Dieses Projekt zielt jedoch darauf ab, zwischenmenschliche Hintergründe dieser Erkrankungen aufzudecken. Wir untersuchen dabei besonders, wie sich die Nerven- und Hormonsysteme zwischen verschiedenen Personen synchronisieren. Unsere Annahme ist, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen entweder nicht mehr „auf einer Wellenlänge“ mit anderen sind oder dass sie sich zu stark mit den Gefühlen und körperlichen Reaktionen anderer synchronisieren. Im Zusammenhang von Krankheit oder chronischem Stress kann dies zu einer starken Belastung und Stressansteckung führen. Im ersten Teilprojekt entwickeln wir eine Methode um die Interaktion zwischen Menschen zuverlässig zu bestimmen. Dies nutzen wir, um zunächst bei gesunden Personen die Synchronisierung der Nerven- und Hormonsysteme zu untersuchen. Dabei kommen verschiedene Messmethoden zum Einsatz, beispielsweise wie Hyperscanning fNIRs. Nachdem wir herausgefunden haben, wie sich Synchronisierung in gesunden Interaktionen gestaltet, untersuchen wir im nächsten Schritt, wie sich dies bei Menschen mit psychischen Störungen verändern kann. Im zweiten Teilprojekt untersuchen wir verschiedene Aspekte der Stressansteckung zwischen Personen und im Mausmodell. Wir werden aus dem Mausmodell die molekularen Mechanismen (z.B. Entzündungsreaktionen oder Veränderung von Darmbakterien) ableiten können, die das Krankheitsrisiko in Situationen chronischer Stressansteckung erhöhen. Danach konzentrieren wir uns auf die Folgen der Stressansteckung in Familien mit chronischer Stressbelastung durch psychische Störungen.

Teilprojekt 4
Projektmoderator: Prof. Dr. Christian Geis
Titel: Entwicklungsaspekte und Therapie von neuroimmunologischen Mechanismen bei depressiven Störungen und postentzündlichen Folgeerkrankungen

Immunvermittelte Prozesse können Erkrankungen des Gehirns, sogenannte neuroimmunologische Erkrankungen auslösen. Zunehmend wird erkannt, dass das Immunsystem auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung neuropsychiatrischer Erkrankungen spielt. Im Projekt JE4 wird untersucht, wie systemische Infektionserkrankungen (z.B. COVID19 oder bakterieller Sepsis) zu einer Störung des Immunsystems und nachfolgend zu einer möglicherweise dauerhaft beeinträchtigten Gehirnfunktion und somit auch zu neuropsychiatrischen Symptomen führen. Hierzu sollen sowohl Untersuchungen an Patientengruppen, als auch grundlagenwissenschaftliche Untersuchungen an Zellkulturen und Tiermodellen erfolgen. Auch bestimmte Formen der Depression sind mit einer Fehlregulation des Immunsystems vergesellschaftet. Wir möchten durch klinische Charakterisierung von Patientengruppen sowie durch Blutuntersuchungen den Zusammenhang zwischen der fehlgeleiteten Immunreaktion und dem Entstehen der depressiven Symptome verstehen. Ein besseres Verständnis dieses Zusammenspiels des Immunsystems mit dem Gehirn wird uns möglicherweise auch ermöglichen, gezielte Therapieverfahren zu entwickeln. Ein Beispiel hierzu ist die Stimulation des Vagusnervs, der eine direkte Verbindung des Gehirns mit dem Körper darstellt, und somit neuronale und Immunmechanismen im Gehirn beeinflussen kann. Die Aktivierung des Vagusnervs soll bei Gesunden und Kranken über die gesamte Lebensspanne untersucht werden.

Teilprojekt 5
Projektmoderator: Prof. Dr. Nils Opel
Titel: Untersuchung und Modulation des Zusammenspiels zwischen Körper und Psyche bei Personen mit Adipositas

Zwischen Adipositas und psychischen Störungen besteht eine wechselseitige Beziehung. Die biologischen Grundlagen dieses Zusammenspiels zwischen Körper und Psyche sind jedoch nur unzureichend bekannt. Das behindert die Entwicklung neuartiger Interventionen und digitaler Technologien zur Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit bei Adipositas.
Das vorliegende Projekt wird diese Wissenslücke schrittweise schließen:
Teilprojekt 1 wird bereits bestehende Daten aus großen internationalen Studien analysieren um den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Adipositas und psychischer Gesundheit über die gesamte Lebensspanne hinweg zu untersuchen. Durch diese Daten können wir nicht nur verschiedene Risikofaktoren einbeziehen, sondern auch die biologischen Hintergründe aufdecken. Wir können also beispielsweise bestimmen, welche Hirnnetzwerke betroffen sind und welche Entzündungsprozesse sich im Körper abspielen. Teilprojekt 2 konzentriert sich darauf, Veränderungen der Gesundheit nach einer Adipositasbehandlung vorausschauend zu erfassen und zu untersuchen. Dies tun wir unter anderem bei Patient:innen nach Magenverkleinerung. Im Teilprojekt 3 erfolgt in einem (prä-) klinischen Versuchsumfeld die Vorbereitung und Erprobung einer nicht-invasiven Hirnstimulation bei Adipositas. Mithilfe von sogenannter Gleichstromstimulation (tDCS) wird auf bestimmte Hirnnetzwerke Einfluss genommen, um die therapeutische Wirkung auf das gestörtes Essverhalten und die Gewichtsreduktion zu verstärken. In Teilprojekt 4 steht das fortlaufende Monitoring der körperlichen und geistigen Gesundheit bei Adipositas im Fokus und wir erproben digitale Instrumente zur Diagnostik und Intervention.

Teilprojekt 6
Projektmoderatorin: Prof. Dr. Kerstin Krauel
Titel: Einsatzmöglichkeiten von Neuromodulation bei Kindern und Jugendlichen
mit ADHS und LRS

Im Kindesalter sind Entwicklungsstörungen wie die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und die Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) der häufigste Anlass für Familien Hilfe zu suchen. Die Stärken von Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen mit Entwicklungsstörungen werden oft nicht richtig wahrgenommen und gefördert, so dass Selbstwert- und Stimmungsprobleme zu den Schwierigkeiten in Schule und Beruf dazukommen können. Viele Studien haben gezeigt, dass bei Entwicklungsstörungen bestimmte Gehirnbereiche nicht ausreichend aktiv sind oder nicht gut zusammenarbeiten. In diesem Projekt wollen wir deshalb untersuchen, wie wir Neuromodulation einsetzen können um Betroffene zu unterstützen. Unter Neuromodulation versteht man verschiedene Methoden, mit denen man die Gehirnaktivität von außen (z.B. über ein Stimulationsgerät) oder durch Training (Neurofeedback) beeinflussen kann. Im ersten Teilprojekt konzentrieren wir uns auf einen Teil des rechten Frontallappens im Gehirn, der für die Kontrolle von Ablenkung und Verhalten, aber auch die Verarbeitung von sozialen Informationen wichtig ist. Wir nutzen bereits vorhandene Bildgebungsdaten von Kindern und Jugendlichen um besser zu verstehen, welche Teile dieser Struktur in welche Netzwerke im Gehirn eingebunden sind. In einem weiteren Schritt werden wir untersuchen, ob sich auch bei nicht-menschlichen Primaten diese Netzwerke finden lassen. So können wir Aufgaben und Stimulationseinstellungen erproben, die zu einer langfristigen Verbesserung der Aktivität in diesen Teilen des Gehirns führen. Im zweiten Teilprojekt wollen wir herausfinden, ob Kinder mit einem erhöhten Risiko für eine ADHS und/oder LRS bereits im Vorschulalter Auffälligkeiten in bestimmten Aufgabentypen und der Gehirnaktivität zeigen, die mit Neuromodulation positiv beeinflusst werden könnten. Da ADHS und LRS häufig zusammen auftreten, interessiert uns besonders, welche Auffälligkeiten sowohl bei ADHS und LRS und welche nur bei einer der beiden Entwicklungsstörungen zu beobachten sind. Um besser beurteilen zu können wie „alltagstauglich“ Behandlungsmethoden sind, müssen sie bei der Anwendung in der Praxis weiter überprüft werden. Im dritten Teilprojekt untersuchen wir deshalb bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS in der normalen klinischen Versorgung wie Trainingshäufigkeit und gleichzeitige Medikation die Wirkung von Neurofeedback auf Aufmerksamkeit, Stimmung, soziales Miteinander, Schlaf und die Aktivität in wichtigen Netzwerken im Gehirn beeinflussen.

Teilprojekt 7
Projektmoderator: Prof. Dr. Martin Walter
Titel: Frühe Erfassung und Erfolgssteigerung von Psychotherapie anhand pharmakologischer und digitaler Augmentation

Bei affektiven Erkrankungen kommt es bereits beim Übergang in das junge Erwachsenenleben häufig zu einer Chronifizierung, trotz früher begleitender Psychotherapie und anderer Interventionen. Um dieser Chronifizierung vorzubeugen, muss die Effektivität von Psychotherapie für jeden einzelnen Patienten erhöht werden. Wir tun dies, indem wir Psychotherapiepatient:innen umfassend in ihrer Krankheitsausprägung beschreiben, eine zusätzliche Medikation mit Ketamin testen und den Therapiefortschritt während und zwischen den Therapiesitzungen digital erfassen. Ketamin wird verabreicht, um die Flexibilität des Gehirns zu verbessern. Ob dies gelingt, testen wir mit Hilfe sogenannter neuronaler Marker, wie dem BDNF.
Zusätzlich analysieren wir die Sprache während der Psychotherapie. Dazu nutzen wir digitale Spracherkennungsverfahren und werten die Daten mittels Mustererkennungsmethoden aus. Diese Erkenntnisse können wir dann für die Prävention und Therapie zu nutzen. Zusätzlich werden im Projekt außerdem MRT- und Blut-Datenerhoben und analysiert.

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